Change Management & Organisationsentwicklung
Wenn Organisationen sich nicht entwickeln, bleiben sie zurück
Arbeit verändert sich rasant: Künstliche Intelligenz automatisiert Aufgaben, neue Generationen bringen andere Erwartungen an Führung, Sinn und Technologie mit. Gleichzeitig verschärft der Fachkräftemangel den Druck, Teams fit für die Zukunft zu machen.
Die Frage ist nicht mehr, ob Organisationen sich verändern müssen – sondern wie schnell und wie gezielt. Organisationsentwicklung wird damit zum zentralen Hebel für Zukunftsfähigkeit und wirksamen Wandel.
Wir haben mit Expert:innen aus Change Management, Organisationsentwicklung und Teamentwicklung über zentrale Fragen gesprochen.
Expertenantworten auf zentrale Fragen
- Wie kann man Widerstand in Veränderungsprozessen systemisch verstehen – und in einen konstruktiven Beitrag zum Wandel verwandeln? >>
- Wie kann man kulturelle Veränderung in Organisationen messbar und sichtbar machen – jenseits von Mitarbeiterbefragungen? >>
- Welche Tools und Methoden aus der agilen oder systemischen Praxis haben sich in der Organisationsentwicklung besonders bewährt? >>
- Welche Rolle spielt die Führungskraft heute bei der Umsetzung von Organisationsentwicklung – und wie unterscheidet sich das von früheren Vorstellungen? >>
- Wie gelingt es, in einem unbeständigen Umfeld (z. B. durch Digitalisierung oder Post-Covid-Transformation) Veränderungsprojekte strategisch zu verankern? >>
- Welche typischen Fehler beobachten Sie in Unternehmen, wenn OE „von oben“ gesteuert wird – und wie kann man es besser machen? >>
1 | Wie kann man Widerstand in Veränderungsprozessen systemisch verstehen – und in einen konstruktiven Beitrag zum Wandel verwandeln?
Widerstand wird oft als Problem oder Störfaktor gesehen – dabei ist er für mich ein klares Signal, dass etwas noch nicht passt oder noch nicht verstanden wurde. Widerstand ist kein Gegner, sondern ein Teil des Systems, der uns hilft, blinde Flecken zu entdecken.
Systemisch betrachtet entsteht Widerstand aus verschiedenen „Systemstellen“: aus Ängsten, aus Verlustgefühlen, aus Unsicherheiten oder auch aus widersprüchlichen Erwartungen. Der erste Schritt ist deshalb, Widerstand nicht wegzudrücken, sondern hinzuhören und verstehen zu wollen, was er uns sagen will.
Wenn wir Widerstand als wertvollen Beitrag begreifen, öffnet sich ein Raum für echten Dialog.
Wir können gemeinsam fragen: Welche Sorge steckt dahinter? Welche Bedürfnisse sind unerfüllt? Wie können wir den Wandel so gestalten, dass er diese Anliegen berücksichtigt?
Methodisch hilft es, den Widerstand sichtbar zu machen – z. B. durch systemische Aufstellungen, Feedbackrunden oder gezielte Reflexionsformate. Wichtig ist, nicht nur die lauten Stimmen zu hören, sondern auch die stillen, die oft viel übersehen werden.
So kann Widerstand transformiert werden: aus einem vermeintlichen Hindernis wird ein Katalysator für bessere Lösungen, die nachhaltiger und von mehr Menschen getragen werden. Das fordert Mut und die Bereitschaft, Kontrolle abzugeben – aber genau dort entsteht oft echte Veränderung.
Am Ende ist es keine Frage von „Widerstand überwinden“, sondern von Widerstand ernst nehmen und einladen, mitzuwirken. Das ist für mich der Schlüssel, um aus Widerstand einen echten Beitrag zum Wandel zu machen.
2 | Wie kann man kulturelle Veränderung in Organisationen messbar und sichtbar machen – jenseits von Mitarbeiterbefragungen?
Kultur ist ja so ein Ding – alle reden darüber, aber sobald man versucht, sie zu messen, verflüchtigt sie sich wie Nebel. Und ehrlich gesagt: Ich glaube nicht daran, dass man Kultur vollständig „messen“ kann. Zumindest nicht im klassischen, quantitativen Sinn. Aber sichtbar machen? Ja, unbedingt. Spürbar machen? Noch viel mehr.
Für mich beginnt das damit, Beobachtungen systematisch zu machen, ohne sie sofort in Zahlen zu pressen. Wenn ich mit Organisationen arbeite, schauen wir z. B. gemeinsam: Wie wird in Meetings wirklich gesprochen? Welche Konflikte werden adressiert – und welche systematisch umschifft? Wo übernehmen Menschen Verantwortung – und wo wird sie delegiert oder abgesichert?
Das sind keine Zahlen, aber es sind wiederholbare Beobachtungspunkte, mit denen sich Veränderung über Zeit abbilden lässt. Ich arbeite dabei gerne mit qualitativen Kulturprotokollen – kleine, bewusst subjektive Momentaufnahmen von gelebter Realität. Wenn man diese über Wochen oder Monate sammelt, entsteht ein Bild. Kein Dashboard, aber ein Mosaik.
Außerdem finde ich kulturelle Mini-Indikatoren sehr wertvoll. Das sind Dinge wie: Wie verändert sich die Sprache im Unternehmen? Kommen neue Begriffe dazu, verschwinden andere? Werden neue Entscheidungsformate angenommen – oder unterlaufen? Gibt es mehr echte Dialoge zwischen Bereichen – oder bleiben Silos bestehen?
Auch Rituale sind Seismografen. Wenn sich Meeting-Formate, Feedbackgewohnheiten oder Entscheidungsprozesse tatsächlich verändern, ist das ein klarer Hinweis, dass Kultur im Wandel ist.
Am Ende bleibt: Kultur zeigt sich im Verhalten. Verhalten lässt sich beobachten, beschreiben und kontextualisieren – nicht mit Zahlen, aber sichtbar. Dafür braucht es Aufmerksamkeit, Mut und den Willen, auch unbequeme Muster zu erkennen. Das ist keine weiche, sondern eine präzise Arbeit – nur auf eine andere Weise.
3 | Welche Tools und Methoden aus der agilen oder systemischen Praxis haben sich in der Organisationsentwicklung besonders bewährt?
Ich persönlich tue mich schwer mit Standardantworten auf diese Frage – nicht, weil es keine bewährten Methoden gibt, sondern weil OE (zumindest so, wie ich sie verstehe) kein Baukasten ist, den man einfach abruft. Für mich lebt gute Organisationsentwicklung davon, dass man hinspürt: Was braucht das System gerade wirklich? Und dafür braucht es mehr als nur Tools – es braucht Haltung, Kontextsensibilität und manchmal auch den Mut, Dinge ganz neu zu denken.
Was mir selbst in der Praxis sehr hilft, sind Zugänge, die Komplexität nicht verkleinern, sondern sie strukturiert begreifbar machen. Der Loop Approach zum Beispiel – ein Framework, das agile Prinzipien klug in OE übersetzt – bietet dafür eine solide Grundlage. Besonders spannend finde ich daran, wie er Raum schafft für echte Autonomie und gleichzeitig Struktur bietet, ohne eng zu machen. Der Loop ist kein Prozess im klassischen Sinn, sondern eher eine Einladung zu bewusstem Arbeiten am System – mit einer klaren Navigation durch Themen wie Zusammenarbeit, Strategie, Entscheidungsfindung und Purpose.
Darüber hinaus schätze ich Formate, die Denken, Fühlen
und Handeln zusammenbringen – wie Folgende:
- Systemische Auftragsklärung – nicht als Pflichtpunkt, sondern als echter Dialog über Absicht, Wirkung und blinde Flecken.
- Experimentierräume statt Change-Pläne – weil Entwicklung selten linear verläuft.
- Visuelle Dialogtools wie der Team Canvas oder auch selbst entwickelte Mappings, die nicht nur Strukturen zeigen, sondern auch Emotionen abbilden.
- Und immer wieder: kollegiale Reflexionsformate, die Menschen wirklich ins Denken und Fühlen bringen – nicht nur in Aktion.
Mehr Informationen über Change Management Expertin,
Trainerin und Beraterin Henrike Berg
4 | Welche Rolle spielt die Führungskraft heute bei der Umsetzung von Organisationsentwicklung – und wie unterscheidet sich das von früheren Vorstellungen?
Früher wurde Organisationsentwicklung (OE) oft als Aufgabe „außerhalb der Linie“ verstanden – Spezialisten in Stabsabteilungen oder externe Berater entwickelten Konzepte, die Führungskräfte anschließend umzusetzen hatten. Führung bedeutete in diesem Kontext in erster Linie Kontrolle und Durchsetzung von Vorgaben.
Heute hat sich dieses Verständnis grundlegend verändert. Organisationen sind hochdynamisch, die Veränderungsgeschwindigkeit nimmt zu, und Mitarbeitende erwarten, einbezogen zu werden. Damit wird Führung in OE zu einer aktiven Gestaltungsaufgabe. Die Verantwortung kann nicht länger ausgelagert werden, sondern liegt bei den Führungskräften in den Teams.
Ihre Rolle umfasst:
- Orientierung geben: Vision und Sinn hinter Veränderungen verständlich machen.
- Partizipation fördern: Mitarbeitende in Entscheidungen und Gestaltungsprozesse einbeziehen.
- Kultur prägen: Werte wie Vertrauen, Offenheit und Lernbereitschaft im Alltag vorleben.
Das zentrale Learning: Führung ist nicht mehr nur Befehl und Kontrolle, sondern bedeutet, als Change-Enabler Räume zu schaffen, in denen Mitarbeitende Veränderung mitgestalten können.
5 | Wie gelingt es, in einem unbeständigen Umfeld Veränderungsprojekte strategisch zu verankern?
Veränderungsprojekte in einem VUCA-Umfeld (Volatility, Uncertainty, Complexity, Ambiguity), ob Digitalisierung, Marktumbruch oder Post-Covid-Transformation – sind besonders herausfordernd. Pläne, die heute entwickelt werden, können morgen schon wieder überholt sein. Dennoch brauchen Organisationen einen strategischen Anker, damit Veränderung nicht zum Aktionismus verkommt.
Erfolgsfaktoren sind:
-
Strategische Klarheit schaffen: Führungskräfte müssen klar machen, wie das Veränderungsvorhaben zur übergeordneten Unternehmensstrategie beiträgt. Das vermittelt Sinn und stärkt die Legitimation.
-
Dialogorientierte Kommunikation: Statt Anweisungen „von oben“ sind echte Dialoge entscheidend – Townhalls, Feedbackrunden, digitale Plattformen. So entsteht Vertrauen auch in unsicheren Zeiten.
-
Iteratives Vorgehen: Kleine, agile Schritte sind oft wirkungsvoller als ein starrer Masterplan. Pilotprojekte ermöglichen schnelles Lernen und Anpassung.
Darüber hinaus braucht es Resilienz und Konsequenz bei den Führungskräften. Veränderungen werden nur dann nachhaltig verankert, wenn Führungspersonen kontinuierlich den Nutzen betonen, auch bei Rückschlägen dranbleiben und Erfolge sichtbar machen. Auf diese Weise werden Veränderungen nicht als „vorübergehender Trend“, sondern als strategisch wichtige Entwicklung erlebt.
6 | Welche typischen Fehler beobachten Sie in Unternehmen, wenn OE „von oben“ gesteuert wird – und wie kann man es besser machen?
Viele Unternehmen machen den Fehler zu glauben, dass man komplexe Veränderungsprozesse wie ein Projekt „abwickeln“ könne. Sie entwickeln fertige Konzepte, die dann in der Organisation ausgerollt werden – ohne echtes Mitgestalten der Mitarbeitenden. Die Folge: Widerstände, Vertrauensverlust und schlimmstenfalls das Scheitern des Projekts.
Typische Fehler sind dabei:
-
wenn Mitarbeitende zu spät eingebunden werden
Sie werden informiert, wenn alles schon entschieden ist -
Fokus auf Strukturen statt Menschen
Emotionale Reaktionen, Ängste oder die informelle Kultur werden ignoriert -
Unzureichendes Vorleben durch die Führung
Strategien bleiben auf Folien, ohne dass Führungskräfte ihr Verhalten daran ausrichten
Empfehlenswerter ist ein partizipativer Ansatz, der von Anfang an auf Beteiligung setzt. Führungskräfte sollten sich als Begleiter und Coaches verstehen, die Teams aktiv einbeziehen, Vertrauen schaffen und Unsicherheiten ernst nehmen.
Ein weiterer Erfolgsfaktor ist die Authentizität der Führung: Wenn Führungskräfte selbst Veränderungsbereitschaft zeigen, glaubwürdig kommunizieren und Erfolge sichtbar machen, entsteht eine Dynamik, die OE-Projekte dauerhaft tragfähig macht.
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