Change Management & Organisationsentwicklung: Expertenantworten auf zentrale Fragen

Wenn Organisationen sich nicht entwickeln, bleiben sie zurück

Die Art, wie wir arbeiten, verändert sich grundlegend – und zwar schneller als je zuvor. Künstliche Intelligenz automatisiert Aufgaben, verändert Rollenbilder und stellt ganze Berufsbilder infrage. Parallel dazu gehen die Babyboomer in Rente, während eine neue Generation in den Arbeitsmarkt eintritt, die andere Erwartungen mitbringt: an Führung, an Technologie, an Sinn.

Gleichzeitig wächst der Druck durch den anhaltenden Fachkräftemangel. Für viele Unternehmen in der DACH-Region wird es zunehmend schwer, die richtigen Talente zu finden – und die bestehenden Teams auf die Herausforderungen der Zukunft vorzubereiten. Die Frage ist nicht mehr, ob sich Organisationen verändern müssen, sondern wie schnell und wie gezielt sie es tun. Wer jetzt nicht in Fähigkeiten, Strukturen und Kultur investiert, wird mittelfristig an Relevanz verlieren. Organisationsentwicklung wird damit zum zentralen Hebel – nicht nur für Anpassung, sondern für echte Zukunftsfähigkeit. Aber wie an Organisationsentwicklung herangehen und nachhaltigen Change bewirken?

Wir haben und mit Experten aus dem Bereich Change Management, Organisationsentwicklung und Teamentwicklung ausgetauscht und sind zentrale Fragen auf den Grund gegangen.

Eine Übersicht der Fragen:

>> Wie kann man Widerstand in Veränderungsprozessen systemisch verstehen – und in einen konstruktiven Beitrag zum Wandel verwandeln?

>> Wie kann man kulturelle Veränderung in Organisationen messbar und sichtbar machen – jenseits von Mitarbeiterbefragungen?

>> Welche Tools und Methoden aus der agilen oder systemischen Praxis haben sich in der Organisationsentwicklung besonders bewährt?

Antworten auf weitere Fragen zum Thema Change Management folgen bald.

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oranger balken

Wie kann man Widerstand in Veränderungsprozessen systemisch verstehen – und in einen konstruktiven Beitrag zum Wandel verwandeln?

Widerstand wird oft als Problem oder Störfaktor gesehen – dabei ist er für mich ein klares Signal, dass etwas noch nicht passt oder noch nicht verstanden wurde. Widerstand ist kein Gegner, sondern ein Teil des Systems, der uns hilft, blinde Flecken zu entdecken.

Systemisch betrachtet entsteht Widerstand aus verschiedenen „Systemstellen“: aus Ängsten, aus Verlustgefühlen, aus Unsicherheiten oder auch aus widersprüchlichen Erwartungen. Der erste Schritt ist deshalb, Widerstand nicht wegzudrücken, sondern hinzuhören und verstehen zu wollen, was er uns sagen will.

Change Management Fragen an Henrike Berg

Wenn wir Widerstand als wertvollen Beitrag begreifen, öffnet sich ein Raum für echten Dialog.

Wir können gemeinsam fragen: Welche Sorge steckt dahinter? Welche Bedürfnisse sind unerfüllt? Wie können wir den Wandel so gestalten, dass er diese Anliegen berücksichtigt?

Methodisch hilft es, den Widerstand sichtbar zu machen – z. B. durch systemische Aufstellungen, Feedbackrunden oder gezielte Reflexionsformate. Wichtig ist, nicht nur die lauten Stimmen zu hören, sondern auch die stillen, die oft viel übersehen werden.

So kann Widerstand transformiert werden: aus einem vermeintlichen Hindernis wird ein Katalysator für bessere Lösungen, die nachhaltiger und von mehr Menschen getragen werden. Das fordert Mut und die Bereitschaft, Kontrolle abzugeben – aber genau dort entsteht oft echte Veränderung.

Am Ende ist es keine Frage von „Widerstand überwinden“, sondern von Widerstand ernst nehmen und einladen, mitzuwirken. Das ist für mich der Schlüssel, um aus Widerstand einen echten Beitrag zum Wandel zu machen.

Wie kann man kulturelle Veränderung in Organisationen messbar und sichtbar machen – jenseits von Mitarbeiterbefragungen?

Kultur ist ja so ein Ding – alle reden darüber, aber sobald man versucht, sie zu messen, verflüchtigt sie sich wie Nebel. Und ehrlich gesagt: Ich glaube nicht daran, dass man Kultur vollständig „messen“ kann. Zumindest nicht im klassischen, quantitativen Sinn. Aber sichtbar machen? Ja, unbedingt. Spürbar machen? Noch viel mehr.

Für mich beginnt das damit, Beobachtungen systematisch zu machen, ohne sie sofort in Zahlen zu pressen. Wenn ich mit Organisationen arbeite, schauen wir z. B. gemeinsam: Wie wird in Meetings wirklich gesprochen? Welche Konflikte werden adressiert – und welche systematisch umschifft? Wo übernehmen Menschen Verantwortung – und wo wird sie delegiert oder abgesichert?

Das sind keine Zahlen, aber es sind wiederholbare Beobachtungspunkte, mit denen sich Veränderung über Zeit abbilden lässt. Ich arbeite dabei gerne mit qualitativen Kulturprotokollen – kleine, bewusst subjektive Momentaufnahmen von gelebter Realität. Wenn man diese über Wochen oder Monate sammelt, entsteht ein Bild. Kein Dashboard, aber ein Mosaik.

Außerdem finde ich kulturelle Mini-Indikatoren sehr wertvoll. Das sind Dinge wie: Wie verändert sich die Sprache im Unternehmen? Kommen neue Begriffe dazu, verschwinden andere? Werden neue Entscheidungsformate angenommen – oder unterlaufen? Gibt es mehr echte Dialoge zwischen Bereichen – oder bleiben Silos bestehen?

Auch Rituale sind Seismografen. Wenn sich Meeting-Formate, Feedbackgewohnheiten oder Entscheidungsprozesse tatsächlich verändern, ist das ein klarer Hinweis, dass Kultur im Wandel ist.

Am Ende bleibt: Kultur zeigt sich im Verhalten. Verhalten lässt sich beobachten, beschreiben und kontextualisieren – nicht mit Zahlen, aber sichtbar. Dafür braucht es Aufmerksamkeit, Mut und den Willen, auch unbequeme Muster zu erkennen. Das ist keine weiche, sondern eine präzise Arbeit – nur auf eine andere Weise.

Welche Tools und Methoden aus der agilen oder systemischen Praxis haben sich in der Organisationsentwicklung besonders bewährt?

Ich persönlich tue mich schwer mit Standardantworten auf diese Frage – nicht, weil es keine bewährten Methoden gibt, sondern weil OE (zumindest so, wie ich sie verstehe) kein Baukasten ist, den man einfach abruft. Für mich lebt gute Organisationsentwicklung davon, dass man hinspürt: Was braucht das System gerade wirklich? Und dafür braucht es mehr als nur Tools – es braucht Haltung, Kontextsensibilität und manchmal auch den Mut, Dinge ganz neu zu denken.

Was mir selbst in der Praxis sehr hilft, sind Zugänge, die Komplexität nicht verkleinern, sondern sie strukturiert begreifbar machen. Der Loop Approach zum Beispiel – ein Framework, das agile Prinzipien klug in OE übersetzt – bietet dafür eine solide Grundlage. Besonders spannend finde ich daran, wie er Raum schafft für echte Autonomie und gleichzeitig Struktur bietet, ohne eng zu machen. Der Loop ist kein Prozess im klassischen Sinn, sondern eher eine Einladung zu bewusstem Arbeiten am System – mit einer klaren Navigation durch Themen wie Zusammenarbeit, Strategie, Entscheidungsfindung und Purpose.

Darüber hinaus schätze ich Formate, die Denken, Fühlen
und Handeln zusammenbringen – wie Folgende:

  • Systemische Auftragsklärung – nicht als Pflichtpunkt, sondern als echter Dialog über Absicht, Wirkung und blinde Flecken.
  • Experimentierräume statt Change-Pläne – weil Entwicklung selten linear verläuft.
  • Visuelle Dialogtools wie der Team Canvas oder auch selbst entwickelte Mappings, die nicht nur Strukturen zeigen, sondern auch Emotionen abbilden.
  • Und immer wieder: kollegiale Reflexionsformate, die Menschen wirklich ins Denken und Fühlen bringen – nicht nur in Aktion.

Mehr Informationen über Change Management Expertin, Trainerin und Beraterin Henrike Berg

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