Zuletzt aktualisiert am 14.11.2025

Führungskräfteentwicklung –
Antworten von Experten

Führung steht vor einem Wandel. Neue Arbeitsformen, technologische Entwicklungen und veränderte Erwartungen prägen den Führungsalltag. Damit steigen die Anforderungen an Führungskräfte – und an ihre Entwicklung. Gefragt sind heute weniger Rezepte, sondern Kompetenzen, die Orientierung, Vertrauen und Zusammenarbeit stärken.

Wie gelingt es, Führungskräfte wirksam auf diese Rolle vorzubereiten?
Wir haben Expert*innen: Prof. Dr. Anja Berghammer, Jan Feddersen und Nina Siessegger – aus Praxis und Forschung gefragt, was moderne Führungskräfteentwicklung ausmacht – und wo sie heute ansetzen sollte.

1 | Was sind aus Deiner Sicht aktuell die größten Herausforderungen für Führungskräfte in einer hybriden und dynamischen Arbeitswelt?“

Die aktuell größten Herausforderungen für Führungskräfte

Prof. Dr. Anja Berghammer antwortet:

„Die aktuellen Herausforderungen für Führungskräfte sind breit gefächert, ich würde sie auf drei Ebenen verorten: der Beziehungs- und Interaktionsebene, der Strukturebene und der Selbstführungsebene.

Beziehungs- und Interaktionsebene

  • Vertrauen und Verbundenheit herstellen über Distanz: Hybride Teams sind räumlich und oft auch kulturell verteilt. Nähe entsteht nicht mehr automatisch durch physische Präsenz, sondern muss bewusst gestaltet werden. Führungskräfte stehen dabei vor der Aufgabe, eine Balance zwischen Autonomie und Einbindung zu finden.
  • Kommunikation in erhöhter Komplexität: Unterschiedliche Arbeitsmodi (remote, hybrid, Präsenz) erzeugen Informationsasymmetrien. Transparenz, bewusste Rituale und der Einsatz geeigneter Tools werden zur zentralen Führungsleistung.
  • Generationenvielfalt und unterschiedliche Erwartungen: Mitarbeitende bringen heterogene Vorstellungen von Arbeit, Karriere und Sinn ein. Führung bedeutet hier nicht, eine einheitliche Lösung anzubieten, sondern Spannungen auszuhalten und produktiv zu moderieren.

Strukturebene

  • Ambidextrie zwischen Stabilität und Innovation: Organisationen müssen gleichzeitig Verlässlichkeit bieten und Veränderungsfähigkeit fördern. Führungskräfte sind gefordert, Strukturen so zu gestalten, dass sie Orientierung geben, ohne die notwendige Agilität zu blockieren.
  • Shared Leadership und Verantwortungsteilung: In dynamischen Umfeldern ist es weder realistisch noch effektiv, dass eine Führungskraft allein alle Steuerungsaufgaben übernimmt. Daher geht es darum, Verantwortung gezielt zu verteilen und dabei Klarheit über Rollen und Entscheidungsprozesse zu schaffen.
  • Digitale Transformation als Dauerzustand: Technologie ist nicht nur Werkzeug, sondern verändert Geschäftsmodelle, Arbeitsweisen und Organisationskultur. Führungskräfte werden zu Übersetzenden zwischen technischer Entwicklung, strategischen Zielen und menschlichen Bedürfnissen.

Selbstführungsebene

  • Umgang mit Unsicherheit und Kontrollverlust: Dynamik bedeutet, dass Planungshorizonte kürzer werden und sich Führung von Steuerung zu Rahmensetzung verschiebt. Die Fähigkeit, Ambiguität auszuhalten, ist zu einer Kernkompetenz geworden.
  • Resilienz und Selbstfürsorge: In der Gleichzeitigkeit von Transformationsdruck, Leistungsanforderungen und gesteigerten Erwartungen der Mitarbeitenden geraten Führungskräfte selbst leicht an Belastungsgrenzen. Reflexion, Abgrenzung und ein bewusster Umgang mit eigenen Ressourcen sind Voraussetzung für nachhaltige Wirksamkeit.
  • Haltungsarbeit: Systemisch betrachtet geht es weniger darum, die eine richtige Antwort zu kennen, sondern darum, eine suchende, lernorientierte Haltung einzunehmen, also Spannungen nicht zu verdrängen, sondern sie sichtbar und gestaltbar zu machen.“

Jan Feddersen antwortet:

„Auf der einen Seite wird der Arbeitsmarkt enger. Das heißt, dass wir durch den demographischen Wandel immer mehr Schwierigkeiten bekommen werden, die passenden Personen zu finden und zu halten.  Auf der anderen Seite sind die Bedürfnisse und Erwartungen der jüngeren Leute, die neu auf den Arbeitsmarkt kommen andere, genauso, wie deren Arbeitsweisen. Darauf müssen sich Führungskräfte einstellen. Es geht darum, ein Arbeitsumfeld zu schaffen, in dem alle Teammitglieder ihre Stärken einbringen und sich selbst ausleben dürfen. Die Zusammenarbeit wird dadurch nicht einfacher, aber wenn wir die Stärken, Standpunkte und Perspektiven aller in unsere Entscheidungen einfließen lassen, werden wir erfolgreicher sein. Als Führungskraft ist es meine Aufgabe, einen Rahmen zu schaffen, in dem dies möglich ist. Das heißt, ich darf nicht nur meine Meinung sagen, sondern meine Meinung wird gefordert und ist wichtig für den Erfolg des Teams.

Dafür ist es notwendig,

  • dass wir ein gemeinsames, klares Ziel haben,
  • dass jede Persönlichkeit, Meinung, Stärke und Perspektive akzeptiert wird,
  • dass wir offen und kontrovers diskutieren, aber einander respektieren.

Dafür braucht es Regeln, einen Rahmen, der all unsere Diversität zusammenfasst und uns Klarheit für Ziele, Rollen, Art der Zusammenarbeit und deren Prinzipien gibt. Dabei ist nicht die Führungskraft, diejenige, die die Regeln vorgibt, vielmehr ist hier das Team gefragt, gemeinsam einen Rahmen zu erstellen, in dem sich alle wiederfinden. Als Führungskraft bin ich diejenige, die diesen Prozess moderiert, die aktiv zuhört und lösungsorientiert, optimistisch vorangeht und die einzelnen Teammitglieder mitnimmt. Ein gemeinsam erstellter Rahmen schafft Vertrauen und Sicherheit und ist viel nachhaltiger als etwas, das sich nur die Führungskraft ausgedacht hat und einführen will.“

Nina Siessegger antwortet:

„Die größte Herausforderung liegt für mich im Spannungsfeld zwischen Anpassungsfähigkeit, Klarheit und Vertrauen.

Umgang mit Unsicherheit: Märkte, Technologien und Organisationsstrukturen verändern sich schneller als früher. Diese Unsicherheit können Führungskräfte nicht auflösen. Sie können aber dafür sorgen, dass Teams auch in Veränderung arbeitsfähig bleiben. Dazu gehört, selbst mit Unklarheiten umgehen zu können und gleichzeitig Orientierung zu geben.“

Von Kontrolle zu Klarheit: Früher konnte Führung stärker über Anweisungen und Nachhalten funktionieren. Heute braucht es etwas anderes: klare Ziele, verständliche Rollen und nachvollziehbare Entscheidungswege. Wenn diese Orientierung da ist, können Teams eigenständig arbeiten, ohne dass alles von der Führungskraft gesteuert werden muss.

Verantwortung teilen: Wirksame Führung bedeutet, Verantwortung zu übertragen und Vertrauen aufzubauen. Das heißt nicht, den Überblick zu verlieren, sondern mit klaren Absprachen sicherzustellen, dass das Team eigenverantwortlich handeln kann und die Führungskraft sich auf das Wesentliche konzentrieren kann.

New Leadership heißt für mich deshalb vor allem, Rahmenbedingungen zu schaffen, in denen Teams eigenverantwortlich wirken können.“

2 | Welche Kompetenzen brauchen Führungskräfte im Jahr 2026, um Teams erfolgreich zu führen –
und wie lassen sich diese gezielt entwickeln?

Welche Kompetenzen brauchen Führungskräfte im Jahr 2026

Prof. Dr. Anja Berghammer antwortet:

„Führungskräfte werden im Jahr 2026 vor allem die Kompetenz brauchen, in Unsicherheit handlungsfähig zu bleiben und gleichzeitig Orientierung zu geben. Teams arbeiten zunehmend hybrid, international und interdisziplinär, klassische Steuerung stößt hier an Grenzen. Gefragt ist die Fähigkeit, Spannungen nicht zu vermeiden, sondern sie als Motor für Entwicklung zu nutzen: zwischen Stabilität und Wandel, zwischen individueller Freiheit und kollektiver Verbindlichkeit, zwischen Technologieorientierung und Menschzentrierung.

Dafür reicht Fach- und Methodenwissen allein nicht aus. Führungskräfte müssen in erster Linie resonanzfähig sein: präsent, ansprechbar und in der Lage, echte Dialoge zu führen. Mitarbeitende erwarten heute nicht mehr nur klare Ziele, sondern auch, dass ihre Perspektiven gehört und integriert werden. Das verlangt von Führungskräften ein hohes Maß an Reflexionsvermögen, Empathie und Konfliktfähigkeit.

 Gleichzeitig braucht es die Kompetenz, Komplexität zu deuten und Sinnzusammenhänge zu vermitteln. Gerade in dynamischen Märkten wird Orientierung nicht über detaillierte Vorgaben, sondern über narrative Rahmung geschaffen, also die Fähigkeit, strategische Entwicklungen in eine verständliche und motivierende Geschichte für das Team zu übersetzen.

Wie entwickeln sich solche Kompetenzen? Sicher nicht durch einmalige Seminare. Sie entstehen durch Erfahrungslernen, kontinuierliche Selbstreflexion und durch Strukturen, die Lernen im Alltag ermöglichen, etwa durch Coaching, Peer-Learning-Formate, Feedbackkultur und konsequente Organisationsentwicklung. Entscheidend ist, dass Führungskräfte nicht nur individuell trainiert werden, sondern dass auch ihre Organisation Räume schafft, in denen dialogische Führung und gemeinsames Lernen tatsächlich gelebt werden können.“

Jan Feddersen antwortet:

„Ich glaube nicht, dass wir es auf 5-6 Kompetenzen herunterbrechen und dann sagen können, das sind die Kompetenzen, die eine Führungskraft benötigt. Natürlich gibt es Kompetenzen, die förderlich sind, wie zum Beispiel Kommunikationsfähigkeit, strategisches Denken oder Einfühlungsvermögen. Aber auch andere Kompetenzen bringen uns zum Ziel. So kann eine wissbegierige, positiv denkende Führungskraft genauso erfolgreich sein, wie eine, die besonders analytisch, autoritär und diszipliniert ist.

Aus meiner Sicht kommt es in erster Linie auf ein positives Mindset der Führungskraft an. Wenn ich der Meinung bin: „Nur wenn ich es entscheide, ist es richtig und gut“, werde ich mich, meine Abteilung und mein Team nicht weiterentwickeln und ich werde immer im Stress sein, weil ich überall involviert bin. Ich kann aber nicht in allen Feldern Experte Nr. 1 sein.

Wenn ich verstehe, dass wir als Team viel schlauer und stärker sind als ich allein, werde ich erfolgreicher sein. Wenn ich Verantwortung und Entscheidungsmacht abgebe, meine Mitarbeitenden unterstütze und ihnen Sicherheit gebe, Fehler machen zu dürfen, werden sie engagierter zu Werke gehen, sich entwickeln und produktiver sein. Dazu muss ich als Führungskraft lernen, zu vertrauen. Aufgaben abzugeben, schafft auf der einen Seite Zeit und Platz für neue Aufgaben. Auf der anderen Seite sorgt es aber auch für Kontrollverlust und Angst ggf. nicht mehr gebraucht zu werden.

Das Gute ist, dass ein positives Mindset eingeübt werden kann. Wichtig dabei ist, dass wir Argumente dafür suchen, warum das „alte Mindset“ schlecht und das „neue Mindset“ besonders gut ist.

Dabei können folgende Fragen helfen:

  • Welchen Preis zahle ich dafür, dass ich bisher alle Entscheidungen selbst treffe und in die meisten Arbeitsgänge involviert bin?
  • Was wäre gewinne ich dadurch, wenn ich mehr Aufgaben und Entscheidungsmacht abgebe?
  • Was tue ich, wenn mich mein altes Mindset versucht wieder die Kontrolle zu übernehmen, weil es Rückschläge gab?

Zusätzlich kann ich mir mein neues Mindset, meinen neuen Glaubenssatz auf einem Post-it notieren und an Orte kleben, an denen ich häufiger bin (zum Beispiel an mein Laptop oder die Kaffeemaschine). Das erinnert mich und manifestiert meine Entscheidung.“

Nina Siessegger antwortet:

„2026 und künftig werden drei Leadership Skills besonders entscheidend sein: Systemisches Denken, Moderationskompetenz und Selbstführung.

  • Systemisches Denken: ein System in seiner Gesamtheit betrachten, Beziehungen und Wechselwirkungen wahrnehmen, Dynamiken erkennen und Entscheidungen auch mit Blick auf ihre möglichen Nebenwirkungen einordnen.
  • Moderationskompetenz: Konflikte konstruktiv begleiten, Beteiligung fördern, Entscheidungen herbeiführen – und das auch in komplexeren Gemengelagen.
  • Selbstführung: Eigene Muster kennen, Stress regulieren, bewusst Prioritäten setzen. Wer sich selbst nicht gut führt, kann andere nur schwer führen.

Entwickeln lassen sich diese Führungskompetenzen am besten durch praxisnahe Formate: begleitendes Coaching, kollegiale Fallberatung und gezielte Reflexion im Alltag. Theorie ist eine wichtige Grundlage, reicht alleine aber nicht. Wirkung entsteht erst, wenn das Gelernte ins eigene Führungshandeln übersetzt wird.

Führung ist anspruchsvoll. Deshalb sollten Führungskräfte gezielt gefördert werden – sowohl, wenn sie neu in der Rolle sind, als auch nach vielen Jahren Erfahrung. Auch erfahrene Führungskräfte profitieren davon, ihre Rolle regelmäßig zu reflektieren und weiterzuentwickeln.“

3 | Was ist der größte Hebel, den Sie im Führungskräfte-Coaching beobachten, um echte Veränderung im Führungsverhalten zu bewirken?

Prof. Dr. Anja Berghammer: „Der größte Hebel im Führungskräfte-Coaching ist aus meiner Erfahrung nicht ein neues Tool oder eine Methode, sondern der Moment, in dem eine Führungskraft bereit ist, das eigene Selbstbild und die Wirkung auf andere ehrlich zu hinterfragen. Wenn jemand erkennt, dass Führung nicht darin besteht, ständig mehr zu wissen oder schneller zu entscheiden, sondern darin, Beziehungen bewusst zu gestalten und Verantwortung zu teilen, entsteht echte Veränderung.

Anja Berghammer Experteninterview Führungskräfteentwicklung

Dieser Schritt gelingt meist dann, wenn Führungskräfte in einem geschützten Raum erleben, wie ihre Muster – zum Beispiel Kontrollbedürfnis, Harmonieorientierung oder Perfektionismus – ihre Teams beeinflussen. Durch diese Reflexion wird Handeln nicht nur angepasst, sondern Haltungen verschieben sich. Und genau diese Haltungsarbeit ist der Hebel: Sie ermöglicht nachhaltige Verhaltensänderung, die auch in komplexen Situationen trägt.“

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Nina Siessegger Experteninterview Führungskräfteentwicklung

4 | Wie beeinflussen KI-Tools oder digitale Assistenzsysteme die tägliche Führungsarbeit – Hype oder echter Effizienzgewinn?

Nina Siessegger: „KI-Tools sind aktuell beides: Hype und Effizienzgewinn.

Sie können Führungskräfte entlasten, indem sie Informationen schneller aufbereiten oder bei Routineaufgaben unterstützen.

Gleichzeitig bleibt Führung zutiefst menschlich: Kultur, Vertrauen, Sinnstiftung und Konfliktklärung lassen sich nicht an Maschinen delegieren.

Ich denke, es geht darum, digitale Assistenzsysteme gezielt einzusetzen, um mehr Raum für das Wesentliche zu schaffen: Wertschöpfung ermöglichen, Beziehungen gestalten, Prioritäten setzen, Zukunftsbilder entwerfen.“

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